Ansprache unserer Generalpriorin Sr. M. Scholastika zur Profess-Erneuerung von Schwester Kerstin-Marie
Liebe Schwestern,
wie lange schon ist sie in aller Munde: die ersehnte, uns aufgetragene Erneuerung der Kirche - das Zweite Vatikanische Konzil wurde von Papst Johannes XXIII. mit dem Auftrag zu pastoraler und ökumenischer „instauratio“, eben zur Erneuerung einberufen. Und wir wissen um den Aufruf zur Erneuerung des Glaubens, zur Erneuerung der Liturgie, zur Erneuerung des Ordenslebens.
Welche Herausforderungen und Wachheit, welche bleibenden Aufgaben liegen in diesem Auftrag der Kirche verborgen. Einen Auftrag, den wir nicht delegieren können. In unseren Konstitutionen steht ein Wort aus dem Apostolischen Schreiben Papst Pauls VI. (Über die Evangelisierung in der Welt von heute):
„Evangelisieren besagt für die Kirche: die Frohbotschaft in alle Bereiche der Menschheit zu tragen und sie durch deren Einfluss von innen umzuwandeln und die Menschheit selbst zu erneuern… Es gibt aber keine neue Menschheit, wenn es nicht zuerst neue Menschen gibt durch die Erneuerung aus der Taufe und ein Leben nach dem Evangelium."
Morgen feiern wir mit Dir, liebe Schwester Kerstin-Marie, die Erneuerung Deiner Profess.
Wir feiern sie, Du begehst sie, diese Erneuerung, Du gehst in ihr, Du willst weiter gehen in der Wirklichkeit der Profess, wieder ein Jahr, ein Jahr jedoch, das schon Bleibendes trägt: Du sagst bewusst JA zu unserer Lebensform und unserer Gemeinschaft. Du triffst wieder klar und deutlich die Entscheidung, die Profess entschieden zu leben - durch alles Helle und Dunkle hindurch.
Erneuerung der Profess: da wird nicht etwas Altes hervorgeholt und aufgemöbelt und in Glanz gebracht,
sondern wir feiern Dein Ja, das Du neu gibst. Du legst die Profess ab, und darin wird sie abgelegt in Dein Herz, in Dein Leben.
Tag für Tag gilt das Wort: „Hier bin ich, Herr. Sende mich.“
Arm, um darin Dich zu finden, die Fülle, die letzte Erfüllung.
Gehorsam und gottgeweiht keusch und jungfräulich,
um darin Dich zu finden, Herr, mit der Sehnsucht meines Herzens.
Wir feiern mit Dir die Profess, die Tag für Tag neu bleibt, die im Heute verwurzelt bleibt und sich im Heute verwirklicht. Jeder Morgen ist der offene Raum, die Profess zu leben. Sie bleibt ja nicht ein öffentliches Versprechen, sondern nimmt Dich ganz ein – in allem, was geschieht und Dir widerfährt, in allem, was Du selber wählst und entscheidest.
Und durch Dich, liebe Schwester Kerstin-Marie, geschieht Erneuerung der Kirche, geschieht Erneuerung des Ordenslebens. Denn Du lebst die Profess einzigartig, ganz eingebunden in unsere Gemeinschaft mit ihrer Sendung doch neu, weil DU sie lebst, nicht irgendwer, sondern DU.
„Ich, Schwester Kerstin-Marie Berretz, gelobe Gott….“ – bestätigst Du morgen. Das kannst nur Du sagen,
keine kann Dich darin vertreten, keine von uns für Dich sprechen. DU bist gemeint, DU bist die von IHM Gerufene und Erwählte und Gesandte: zum Heil der Welt, wie der hl. Dominikus.
Du selbst erfährst es hautnah: Wer sich radikal auf diesen GOTT einlässt, bleibt suchend, bleibt unterwegs:
„Habt ihr ihn gesehen, den meine Seele liebt?“, hören wir aus dem Hohenlied. Unser Leben mit Christus bleibt ein Suchen, wir holen nicht etwas Altes hervor, sondern wir lassen uns ein auf das wieder und wieder Neue, das uns in Christus gezeigt wird, wir lassen uns ein auf die Liebe, die niemals alt wird.
Du, liebe Schwester Kerstin-Marie, lässt Dich neu ein auf den Bund mit Christus, Du lässt Dich neu ein auf diese Bindung mit IHM, die Dich völlig frei machen will:
Freiheit in der Bindung. Welches Wunder: größte Freiheit in der größten Bindung. Und auch Christus bindet sich an Dich. Ganz und radikal, sich nicht mehr, nie mehr zurücknehmend.
Léon Bloy prägte das Wort. „Man betritt das Paradies nicht morgen, übermorgen oder in zehn Jahren, sondern heute, vorausgesetzt, man ist arm und gekreuzigt“. In der Nähe des armen und gekreuzigten Jesus, auch wenn er nicht zu greifen ist, oft so verborgen und schweigend, finden wir den Himmel, finden wir das wahre Glück. Beim „Allerärmsten, Allerangefochtensten, Allersanftmütigsten“, so formuliert es Dietrich Bonhoeffer.
Petrus erkennt es ja auch, wenn er ruft: Herr, wohin sollen wir gehen, Du hast Worte des ewigen Lebens,
und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige GOTTES! Das ist ja das Verrückte: wir bewegen uns auf ein Ziel hin, auf eine Fülle hin, die wir in keiner Weise fassen können. Diese Fülle ist immer mehr, als dass wir je begreifen können.
„Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“
Wer ist Gott?
Kein Gedanke ersteigt ihn,
keine Ausdauer wird ihn erreichen,
kein Tiefsinn ihn ergründen.
Wer sich jedoch zur Liebe aufrichtet, reicht hinauf zu Gott.
Wer sich in der Liebe beugt, ergründet seine Tiefe.
Wer in der Liebe seine Wege geht, schreitet ihn aus.
Indem wir lieben, erfüllt uns sein Geist.
(Jörg Zink)
Die Liebe trägt uns weit über uns hinaus, und darin finden wir uns neu, werden tiefer und wahrer zu uns selbst entlassen. Ein alter Kirchenlehrer, Petrus Chrysologus schreibt in einer Predigt über die Liebe:
Was sein wird, was sein sollte, was sein könnte, darauf achtet die Liebe nicht. Die Liebe achtet nicht der Vernunft, sie kennt nicht Verstand und weiß kein Maß. Die Liebe lässt sich nicht trösten, wenn man ihr sagt, es sei etwas unmöglich; es bringt ihr keine Linderung, wenn man ihr die Schwierigkeiten vorhält. Sie geht dorthin, wohin es sie treibt, nicht wohin sie soll. Liebe gebiert Sehnsucht und entbrennt in Glut. In der Glut drängt sie nach dem, was ihr unerreichbar ist. Was sollen wir mehr sagen?
Es ist die Liebe, die uns treibt, die uns auf den Weg bringt, die uns auf den Weg bleiben lässt.
Schauen wir auf Maria, deren Geburt wir morgen feiern. Sie zeigt uns, was es heißt in der Liebe unterwegs zu bleiben, sie zeigt uns das Professgeschehen. In der Heiligen Schrift hören wir ihr Wort nur einmal: Ja - mir geschehe. Aber sie hat es gelebt, zuweilen in einer harten Alltäglichkeit, auch in der Zurückweisung, bis unter das Kreuz. Bestimmt auch in der Freude und in der Erfahrung von Glücksmomenten. Sie hat den Vers aus Psalm 22 zutiefst gelebt, der für Jesus am Kreuz stärkend wurde. „Von Geburt an bin ich geworfen auf dich, vom Mutterleib an bist du mein Gott".
Liebe Schwester Kerstin Marie,
von ganzem Herzen wünschen wir Dir diese innere „Professbewegung“, die Dich in die Tiefe führt, die Dich ganz frei macht für Christus, ganz verfügbar, ganz weit und bereit. Neue Schöpfung. Wir wünschen Dir die Erfahrung des freisetzenden „Mir geschehe“. Morgen am Fest Maria Geburt neu, mehr noch: Tag für Tag neu. Ein ganzes Jahr. Bleibend. Immer. Und mögest Du Christus hören, der Dir den Himmel bringt, wenn er zum Vater sagt: Mir geschehe, für Dich, Kerstin-Marie. Für Dich.
Sr. M. Scholastika
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