Montag, 11. Juni 2012

Reise nach innen

In der vergangenen Woche war es wieder einmal soweit: zusammen mit unserer Postulantin Ursula und sechs weiteren Mitschwestern war ich in Rickenbach, wo wir - begleitet von P. Wilhelm Germann - zehn Tage miteinander ins tiefe Schweigen der Exerzitien abgetaucht sind. Eine Zeit, die man etwas salopp als "Intensiv-Beziehungpflege" mit Gott bezeichnen könnte, in der es einzig und allein darum geht, mich Seinem Wirken an mir zu öffnen und mich in die Tiefen der eigenen Seele hinab zu wagen. Eine Zeit, in der sich alles konzentrieren darf auf das Wesentliche meines Lebens, in der ich mich um nichts zu kümmern brauche, einfach da sein darf. Und es sind nebenbei fast die einzigen Tage im Jahr, in denen ich mich auch ganz bewusst aus dem Weltgeschehen ausklinke, in denen ich weder Zeitung lese, noch Nachrichten schaue, nicht telefoniere und natürlich auch nicht im Internet surfe.
Ich empfinde es immer wieder neu faszinierend, wie sich in dieser doch recht kurzen Zeit des Schweigens alle Sinne schärfen, wie ich durch und durch berührbar werde und auf einmal bei mir selbst oder auch in der Natur Regungen wahrnehme, an denen ich sonst garantiert vorbeigelaufen wäre. Auch wenn die vielen Stunden, die wir in dieser Zeit täglich konzentriert meditieren und beten, ganz schön kräftezehrend sein können, die Reise in die eigene Innenwelt zuweilen auch sehr anstrengende Wegstrecken in sich birgt und einen manchmal außer Atem bringt, so möchte ich diese heilsame jährliche "Brachzeit" doch auf keinen Fall missen.

Und obwohl die Exerzitien eine eher ernste Angelegenheit sind, konnte ich mir hier und dort das Lachen nicht verkneifen. So zum Beispiel, als ich bei einem meiner ausgedehnten Spaziergänge über den Buttenberg darüber nachdachte, wie krass ja eigentlich das altbekannte Wort Jesu ist: "Ich bin der gute Hirte, und der gute Hirt gibt sein Leben hin für seine Schafe". Würde unsereins heute sagen "ich gebe mein Leben hin für unsere Kaninchen, lasse mich lieber selbst auffressen als dass einem von ihnen etwas zustößt", würden sich meine Mitschwestern ganz zu Recht Sorgen über meine psychische Gesundheit machen. Und was soll ich sagen, genau in der Sekunde, als ich über diesen schrillen Vergleich nachdachte, kam mir auf einmal mit einer rasenden Geschwindigkeit ein Vieh entgegen gerannt, was sich beim Näherkommen als Häschen entpuppte. Und dieses extrem goldige Vieh machte kurz vor mir eine Vollbremsung, setzte sich mit ca. 2 m Sicherheitsabstand vor meine Nase, machte ganz in Ruhe seine Morgentoilette, um dann ein paar Minuten später wieder genauso schnell zu verschwinden wie es gekommen war. Nun ja, dem lieben Gott war sicherlich daran gelegen, dass die Schwester Ursula sich einmal auf eine ungewöhnlich ganzheitliche Weise mit der Johannes-Perikope auseinander setzt, was ihm damit auch definitiv gelungen war ;-))

Nun fühle ich mich innerlich bestens gerüstet für die - so Gott und alle Beteiligten wollen - letzte Etappe meiner Junioratszeit und freue mich auf den stinknormalen Alltag in Kloster Arenberg, in dem sicherlich noch einmal hier oder da eine Erfahrung der letzten Tage aufblitzen wird.    
Sr. M. Ursula

3 Kommentare:

  1. Exerzitien und Zeiten der Stille finde ich auch sehr wichtig für mich. Es stimmt, Sr. Ursula,dass man dadurch berührbarer wird, und ich glaube, dass der Weg in die eigene Tiefe nicht immer nur leicht ist. Aber für das eigene Menschsein ist es wichtig, mit dem eigenen Inneren in Berührung zu kommen und sich selbst kennenzulernen. Da kommt mir der Gedanke: Wie könnte ich etwas loslassen, wenn ich es nicht kenne?
    Danke für Ihre Blogs, gerade ihre lese ich immer besonders gerne.
    Grüße an alle Arenberger Schwestern,im Gebet bin ich mit ihnen verbunden.

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  2. Köstlich! Und typisch Sr. Ursula!!! Ich hab dich bis nach Trier lachen hören, als ich diese tolle Geschichte gelesen habe - und musste schallend mitlachen! Es haben ja so einige daran gezweifelt, ob du tatsächlich 10 Tage lang schweigen kannst. Nun wissen wir's: Reden musst du nicht unbedingt, aber 10 Tage ohne Lachen, das geht gar nicht!!! ;-)))
    Hanne

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  3. Sehr schön ihr Blogbeitrag. Lese hier sehr gerne kann mir es gerade Bildlich vorstellen ihre begegnung mit dem Hasen

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