
Für mich ist beispielsweise die schlichte Wahrnehmung in der Natur eine solche Quelle der Freude, sei es beim kurzen Spaziergang durch unseren Garten, sei es in der Mittagspause, wenn ich mich auf eine Bank setze und das gleißende warme Licht der Frühlingssonne im Gesicht spüre. Oder auch die Zeit vor dem Schlafengehen am Abend, in der ich in der Stille meiner Zelle den Tag Revue passieren lasse, nichts mehr leisten muss, alles loslassen darf. Das sind Momente, in denen ich selbst ganz gegenwärtig bin und mich auch gleichzeitig Gott ganz nahe fühle.
Als besonderen Luxus empfinde ich zum Beispiel im Klosteralltag auch nach wie vor auch den Rhythmus unserer gemeinsamen Mahlzeiten, die - genau wie die Gebetszeiten - für alle Schwestern zum festen Tagesablauf gehören. Normalerweise haben wir dabei einmal am Tag Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, zweimal am Tag essen wir im Schweigen und hören dabei eine Tischlesung, und am Mittwoch- und Sonntagmorgen (das ist für mich immer wieder ein Fest!) hören wir sogar Musik zum Frühstück. Ich merke immer wieder, dass mir gerade dieser Wechsel von Reden und Schweigen gut tut, auch wenn die vorgegebenen Zeiten natürlich nicht immer meiner jeweiligen "Tagesform" entsprechen ;-)
Neulich bin ich zufällig auf einen Brief gestoßen, den Bernhard von Clairvaux im 12. Jahrhundert an seinen ehemaligen Schüler, Papst Eugen III. geschrieben hat, und der wie ich finde brandaktuell ist:
"Höre also, was ich dich rügen und raten möchte: Wenn du dein ganzes Leben und Wissen für die Tätigkeit aufwendest, für die Besinnung aber nichts, soll ich dich da loben? Wenn dich alle in Beschlag nehmen, so sei du auch selber einer von ihnen. Wieso sollst nur du um das Geschenk deiner selbst betrogen werden? Wie lange noch willst du ein Geist sein, der ausgeht, aber nicht heimkehrt? Achte also darauf, dass du dir - ich will nicht sagen immer, nicht einmal häufig, doch dann und wann - Zeit für dich selber nimmst!"
Es braucht oft so überraschend wenig, um sich mitten im Alltagstrott ein wenig zum Himmel auszustrecken, manchmal nur ein paar Minuten, die man sich bewusst freihält und in denen man "sich selbst in Beschlag nimmt" - wie der Heilige Bernhard es so schön ausdrückt. Und ich merke immer wieder, das kommt nicht nur mir selbst zugute, sondern auch den Menschen um mich herum, denen ich dann - frisch gestärkt - wieder eine ganz andere Aufmerksamkeit schenken kann.
Sr. M. Ursula
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