Dienstag, 2. März 2010

Brief aus Comarapa

Von Schwester M. Gundelinde erreichte uns gestern folgender Brief aus Comarapa, der einmal einen schönen Einblick in die Arbeit unserer bolivianischen Mitschwestern gibt:
"(...)nach einer längeren stillen Pause sende ich Euch allen erneut ein Lebenszeichen, verbunden mit vielen herzlichen Grüssen aus Comarapa.
Trotz der überaus schwierigen politischen Situation arbeiten unsere 19 einheimischen Schwestern der Region wie gewohnt eine jede von ihnen an ihrem Platz, um Zeugnis zu geben von der Liebe und Treue unseres Gottes, für den wir leben und sterben wo immer es auch sei. Machen wir eben mal eine, wenn auch sehr kurze Rundreise durch unsere Filialen, um die dortige Situation wahrzunehmen.
Da sind die 4 Schwestern in Santa Cruz: Schw. Rosa Maria und Schw. M. Ivonnee in der Volks- und Oberschule mit über 1000 Schülern, Schw. M. Lucía arbeitet in der Kindertagesstätte und Schw. M. Inés im Katecheten–Zentrum.
In Saipina hat Schw. M. Celina in ihrer Ambulanzstation immer Hochbetrieb. Und das, trotz des schon seit 4 Jahren bestehenden staatl. Krankenhauses im selben Dorf. Ebenso haben die beiden Schwestern M. Franziska und M. Asunta in der Pastoral alle Hände voll zu tun.
In Sucre kümmern sich die drei Schwestern M. Gracia, M. Teresa und unsere Novizin M. Fabiola um die Schülerspeisung von über 100 hungrigen Kindern.
Auch in Cochabamba, unserer Ausbildungsfiliale, herrscht, wenn auch nur in einer kleinen Gemeinschaft, immer reges Leben: Schw. M. Josefine ist die Verantwortung für unseren Klosternachwuchs anvertraut. Zur Zeit ist es eine Postulantin. Dazu gehören noch Schw. M. Virginia und Schw. M. Sulma dieser Gemeinschaft an. Erstere widmet sich dem Theologiestudium und die zweite der Ernährungslehre. Beide Schwestern hoffen, nächstes Jahr zum Abschluss ihrer Lernzeit zu kommen.
Außer der Verantwortung für die Klosterjugend sorgt sich Schw. M. Josefine noch um die unzähligen Armen, die tagtäglich an unsere Tür kommen, sowie um die nie endende Reihe der Schuhputzerjungen und deren Familien. Auch die drogenabhängigen Jugendlichen, die unter der Brücke hausen, sind bei ihr nicht vergessen. So ist der Tag dieser Schwester besonders reich an Arbeit und oft mit traurigen Erlebnissen angefüllt.
Dann bliebe noch Comarapa, die Wiege unserer Mission, zu erwähnen. 7 Schwestern gehören dieser Gemeinschaft an. 3 von ihnen arbeiten im Krankenhaus, das mit 30 Betten, 8 Fachärzten und 6 Krankenschwestern für die gesamte Provinz die Türen offen hält. Schw. M. Martha, unsere Regionalpriorin und Schw. M. Rosa erteilen Unterricht im Colegio und sind auch in der Sakramenten- und Familienpastoral voll eingesetzt. Schw. Maria leitet die Kindertagesstätte (insgesamt 90 Kinder zwischen 8 Monaten und 6 Jahren) sowie den Vor- und Nachmittagskindergarten (insgesamt 240).
Geht nun noch einen Augenblick mit mir zur Altenherberge, damit Ihr Euch in etwa vorstellen könnt, wie es auch dort weiterläuft. Diesem Obdach für die Ärmsten gilt meine Hauptsorge. Zur Zeit haben wir 23 alte Menschen, die von 6 angestellten Frauen betreut werden.
Es freut uns Frauen der Pfarrgruppe sehr, die Anteilnahme und das Interesse an unserer Arbeit mit den alten Menschen vonseiten der Bevölkerung in Comarapa zu erleben und zu spüren. Kaum vergeht eine der wöchentlichen Schulmessen, in der die Schüler nicht einen Korb voller Lebensmittel dem Herrn als Opfergabe für die Altenherberge darbringen. Viele Bauern bringen uns von der Ernte ihre Erstlingsgabe. Etliche Personen im Dorf haben es sich zur Norm gemacht, regelmäßig unsere lieben Alten zu besuchen. Einer dieser barmherzigen Samariter, ein pensionierter Oberschullehrer, spendet sogar monatlich einen sehr hohen Teil seiner Rente für die Herberge. Ein bisher einmaliges Spendenaufkommen! Eine Schülergruppe aus dem Internat schenkt uns jede Woche einige Stunden ihre Arbeitskraft. Diese Jungens und Mädchen putzen die Flure und den Speisesaal, kehren die Strasse und bearbeiten den Garten. Darüber hinaus lernen sie mit den alten Menschen umzugehen und lernen deren Eigenheiten kennen. Aber sie lernen sie auch schätzen und lieben und werden von ihnen vermisst, wenn sie schon mal aus irgendeinem Grunde nicht kommen können.
Über die Hälfte unserer lieben Alten ist entweder körperlich oder geistig behindert. Das erfordert viel Geduld und Einfühlungsvermögen vonseiten unseres Personals. Einige von ihnen können sich aber doch noch auf irgendeine Weise nützlich machen.
Da ist z.B. Don Alberto, der sich nur durch Laute und Gesten mitteilen kann - er ist unser treuer freundlicher Türhüter. Für ihn ist es eine Freude, wenn er jemanden hereinlassen und begrüßen kann. Seine bekannten Laute, die er von sich gibt, schallen durchs ganze Haus. Aber auch die Eintretenden haben ihre Freude an ihm, wenn er sich auf seine Art verständlich macht.
Don Cornelio versorgt schon viele Jahre lang das Läuten der Totenglocke. Es ist in Comarapa Brauch, dass beim Tod eines Dorfbewohners die an einem Baum angebrachte Glocke am Hügel etwa eine viertel Stunde lang in Abständen angeschlagen wird. Die Angehörigen des Verstorbenen kommen zur Herberge und bitten Cornelio um diesen Dienst. Dafür darf er sich 5.-Bs. (= 50 Cent) geben lassen. Vor einiger Zeit erfuhr ich zufällig, dass er sich 10.- Bs. „auszahlen“ lässt. Als ich ihn deswegen erstaunt ansprach, meinte er: “Aber Madre, es ist doch auch alles teurer geworden!“ Das sagte er so treuherzig, dass ich ihn spontan in die Arme nahm.
Was die Einrichtung der Herberge anbelangt, liegt natürlich noch vieles im Argen und wir müssen uns schon sehr gedulden. Aber desto fleißiger nehmen wir Frauen der Pfarrgruppe jede Gelegenheit wahr, um durch Bazare und vielerlei Feste und sonstige Veranstaltungen dafür zu sorgen, dass wenigstens für den Unterhalt der Bedarf gedeckt bleibt. Umso dankbarer sind wir für jede, auch noch so kleine Spende, die aus der Heimat kommt und ich möchte mich bei dieser Gelegenheit wiederum von ganzem Herzen bedanken bei allen Gruppen und Privatpersonen, die durch ihre Spenden, besonders in der Weihnachtszeit, uns gezeigt haben, dass wir mit unserem dringenden Anliegen nicht vergessen sind. Das schenkt uns ungeheuren Mut und Kraft, weiterzuarbeiten, das Leid und die Not, wie immer sie auch aussehen mögen, zu lindern oder gar zu heilen.
Eure Schw. M. Gundelinde"

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