Dienstag, 9. September 2014

pure Freude

Ansprache von Sr. M. Scholastika zur Feier der Professjubiläen und Professerneuerung von Sr. Kerstin-Marie am 07. September 2014

Liebe Jubilarinnen, Gold, Diamant und Eisen sind heute versammelt,
liebe Schwester Kerstin-Marie,
liebe Schwestern,

Hildegard, unsere Postulantin, kann ein Lied davon singen, was es heißt, still bleiben und sich zusammenreißen zu müssen, wenn man vor Wonne lauthals loslachen könnte.
Wer kennt solche Momente nicht!
Ist es für uns jedoch vorstellbar, dass Engel es fast nicht schaffen, unpässlich durch lauten Gesang der Freude nicht Ausdruck zu geben?
Rainer Maria Rilke schreibt in einem Gedicht über die Geburt Marias:
O, was muss es die Engel gekostet haben,
nicht aufzusingen plötzlich, (wie man aufweint),
da sie doch wussten: in dieser Nacht wird dem Knaben
die Mutter geboren, dem Einen, der bald erscheint.


Mich amüsiert dieses Bild.
Engel, die kaum an sich halten können, um nicht aufzusingen ob der Freude über die Geburt Marias: da sie doch wussten: in dieser Nacht wird dem Knaben die Mutter geboren, dem Einen, der bald erscheint.

Pure Freude, weil Wirklichkeit wird, was uns längst verheißen ist. Die Engel wussten es: jetzt ereignet sich, was in GOTT unausdenklich längst vorbereitet, jetzt erfüllen sich die Zeichen der uralten Heilsgeschichte – in Maria, die geboren wird und, wenn die Zeit erfüllt ist, den Einen gebären wird: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben.
Jes 7, 13

Mi diesem Kind wird uns alles geschenkt sein! GOTT selbst wird uns geschenkt sein in seinem Sohn.

Mit der Geburt Marias ist ein Anfang gesetzt, der die Welt verändern wird.
Es ist so deutlich: GOTT will nicht ohne den Menschen GOTT sein (Eberhard Jüngel).

Und gerade Maria zeigt uns, dass diese Welt-Veränderung letztlich ganz alltäglich geschieht, ohne Aufhebens, ohne gewaltige Projekte, sondern durch ein gewöhnliches, einfaches Leben, das jedoch durchgetragen, durchdrungen ist von einem entschiedenen, von einem mit Leib und Seele gelebten JA. Dann erhalten schlichte Gesten und Alltagsverrichten große Bedeutung.
Papst Franziskus schreibt davon in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“:
„Maria versteht es, mit ein paar ärmlichen Windeln und einer Fülle zärtlicher Liebe einen Tierstall in das Haus Jesu zu verwandeln.“
Das ist auch die Freude der aufjauchzenden Engel.

Liebe Jubilarinnen,
holt uns Papst Franziskus hier mit Maria nicht auch ab? Das Revolutionäre in dieser Welt, so schreibt er an einer anderen Stelle, ist die Liebe und Zärtlichkeit.
Sie dürfen auf 50, 60, gar 65 Jahre Profess zurückschauen. Eingebunden in die Gemeinschaft ist doch jede von Ihnen ihren Weg gegangen mit Erfahrungen und Erkenntnissen, die Sie geprägt haben, Sie reifen ließen, und die auch Narben zurückgelassen haben.

Heute werden Sie erkennen, dass Ihr Leben dort Fülle trug, wo Liebe ins Fließen kam, wo sie im besten Sinne des Wortes selbstvergessen Ihre Aufgaben erfüllen konnten und Sie doch in diesem Selbstvergessenen ganz vorkamen, weil Ihr Dienst nichts Berechnendes hatte, sondern weil Herz und Hand in Einklang waren, weil sich gleichsam in Ihnen Himmel und Erde berühren durften.

Mit Christus sind Sie unterwegs geblieben, waren Sie Pilgerinnen in einer Weggemeinschaft, in der Sie entdeckten: Nein, hier leben nicht spirituelle Helden, sondern Schwestern, die sich gegenseitig auf der Reise ins Reich GOTTES mit Hoffnung und Gnade stärken.“ So unser ehemaliger Ordensmeister Timothy Radcliffe.

Sie zeigen uns, liebe Jubilarinnen: „Gott nahm sich Jahrhunderte, um sein Volk zu formen, um den Weg der Geburt seines Sohnes zu bahnen. GOTT schenkt uns unser Leben nicht mit einem Schlag, sondern Schritt für Schritt, auf seine Art und Weise, eben nicht wie die Welt gibt, gibt er (Joh 14,27)“. (Radcliffe)

Als Gemeinschaft möchten wir Ihnen heute von Herzen danken für alles, was von Ihnen eingehen durfte in die gemeinsame Sendung, was Ihnen möglich war an Liebe und gelebter Güte. Wir danken Ihnen für jene Momente, in denen durch Ihr Dasein und Ihr Wirken das Haus Jesu aufgebaut werden konnte, wo Sie uns und den uns aufgegebenen Menschen eine Tür aufstießen und den Blick freigaben auf Christus hin.

Auch das ist ja die Haltung Marias. Sie war die, die im Hintergrund blieb und immerzu auf Jesus verwies. Wo Christus das Große an uns vollbringt, wo die Wunder GOTTES sich ereignen, sind wir nicht die Macher und Macherinnen, sondern dort verwirklicht sich die Antwort Marias: Mir geschehe nach Deinem Wort! In Freiheit und auch Entschiedenheit. Großherzig.

Das Große und Relevante unseres Lebens, die Schönheit unseres Wesens bedarf heiliger Räume, bedarf des Schutzes. Wir können nochmals Bezug nehmen auf das Gedicht von Rilke, das dann so weitergeht:

O, was muss es die Engel gekostet haben,
nicht aufzusingen plötzlich, wie man aufweint,
da sie doch wussten: in dieser Nacht wird dem Knaben
die Mutter geboren, dem Einen, der bald erscheint.


Schwingend verschwiegen sie sich, und zeigten die Richtung,
wo, allein, das Gehöft lag des Joachim,
ach, sie fühlten in sich und im Raum die reine Verdichtung,
aber es durfte keiner nieder zu ihm.
...
und der Alte, vorsichtig, ging und verhielt das Gemuhe
einer dunkelen Kuh. Denn so war es noch nie.

Das Innerste, das Geschehen zwischen GOTT und Mensch bleibt Geheimnis, zu dem wir nur Zutritt finden in der Stille, wo selbst ein Aufsingen der Engel, ein Gemuhe von Geschöpfen stören kann und das Zarte ins uns verstört.

An jeder von uns geschieht Wunderbares, was des Schutzes bedarf. Vielleicht, liebe Jubilarinnen, werden Sie es uns sagen: Die Berufung, man hat sie nicht wie ein Besitz, wir tragen sie immer auch in zerbrechlichen Gefäßen und sie will sich immer tiefer, immer wesentlicher  bis in den Tod hinein entfalten und verdichten. So bestätigen Sie morgen erneut: Armut, Gehorsam, Jungfräulichkeit bis zum Tode.

Die Evangelischen Räte zeigen ja nicht ein Ziel an, sondern einen Weg in die Fülle. Und wenn 50, 60, ja gar 65 Professjahre ein beachtliches Lebensalter zeigen, spüren wir, wenn GOTTES Geist überraschend einbricht, bleibt nichts beim Alten, da gibt es keine ausgetretenen Pfade, kein greises Dasein. Mehr denn je werden Sie sagen können: So war es noch nie, und auch GOTT dahinter entdecken.

Du, liebe Schwester Kerstin-Marie, erfährst dieses Wunderbare, die Schönheit dieses Weges, ahnst, mehr noch lebst mit der Gewissheit, dass die Gottesfreundschaft, seine Liebe zu Dir, Deine Liebe zu IHM letztlich DAS Beglückende und das Erfüllende Deines Lebens ist und hoffentlich bleiben wird.

Ambrosius von Mailand erkannte: „Knechten gibt man Gebote, Freunden Räte.
Wo Gebot, da waltet Gesetz, wo der Rat, da waltet Gnade.“

Du sagst erneut JA, das zugleich
-    ein Bekenntnis ist, wie sehr Dir unser GOTT Leben geworden ist,
-    ein Bekenntnis, dass Du in der Mitte unserer Gemeinschaft den Boden findest, auf dem Dein Leben sich vertieft und reift
-    ein Bekenntnis, dass Du auch inmitten der Erfahrungen von Alter und Begrenztheit das Fließen von Geben und Nehmen wahrnehmen darfst.

Was in Deinem Alltag fast gewöhnlich geworden ist, ist für uns immer noch ungewöhnlich. Du bist viel unterwegs. Und gerade in diesem Bewegtsein ist Dir die Gemeinschaft Heimat und Ankerplatz. Du schätzt die tägliche Eucharistie, aus der Du leben willst, liebst das gemeinschaftliche Gebet, das sich einschwingt in das große Stundengebet der Kirche, und Du entdeckst für Dich immer tiefer den Mittelpunkt, den Ruhepunkt aller Wege in der Anbetung des Herrn in der Eucharistie. Das ist Gnade, liebe Schwester Kerstin-Marie.

Was unser Leben ist, unsere Berufung ist vornehmlich Deine Aufgabe: Menschen auf zurückhaltende und zugleich erfrischende Weise zu helfen, zu unterstützen, ihre eigene Bestimmung zu finden. Du bist und wirst vielleicht für nicht wenige der Eli im Alten Testament sein, der Samuel das Hören lehrt. Du hast die Gabe, leise mitzugehen auf diesem Weg des Suchens und Entdeckens und hoffentlich auch Staunens über die Würde unseres eigenen Menschseins und Christseins, des Christwerdens. Und Du vermagst, helle Freude zu wecken über diesen GOTT und lebst es spürbar, dass es sich lohnt, dieses Leben zu leben und zu gestalten: „Hier bin ich, sende mich“.

Liebe Schwester Kerstin-Marie,
liebe Jubilarinnen,

die Engel halten inne, weil durch die Geburt Marias Großes geschieht. Unseren morgigen Festtag feiern kann auch heißen, innezuhalten, zu staunen über unsere Wege und vor allem auch zu staunen wie GOTT sich freut über uns, der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt.
Er freut sich und jubelt über dich, er erneuert seine Liebe zu dir, er jubelt über dich und frohlockt, wie man frohlockt an einem Festtag.
Sr. M. Scholastika

2 Kommentare:

  1. Oh wie wunderbar gesprochen.
    Ja, der Glaube braucht solche Fest und Jubeltage.
    Stille Freude in sich aufnehmen, Liebe tanken um sie zu verteilen.
    Herzlichen Glückwunsch an die Jubilarinnen

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  2. Jetzt ist der Festtag schon wieder einen Monat her. Ich fand die Ansprache so schön und bedenkenswert, dass ich sie mir heute Abend noch einmal durchgelesen habe. Vielen Dank für Ihre Worte, sehr geehrte, liebe Sr. Scholastika.

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