"Oh, es ist Herbst geworden", stellte unsere Sr. M.
Lidwina vor einigen Wochen erstaunt fest, als sie von ihrem Krankenlager aus dem Fenster
schaute und die Sonne durch die bunten Blätter scheinen sah. "Und in
Ihnen, wie schaut es denn in Ihnen aus?", wollte Sr. M. Veneranda
daraufhin von ihr wissen. "In mir? Da ist Frühling!", sagte sie und
strahlte.
Eigentlich kaum zu glauben, ein solcher Satz aus dem Mund
einer Sterbenden. Und doch - alle, die Sr. M. Lidwina in den vergangenen Wochen
auf ihrer letzten Wegstrecke erleben durften, haben in ihrer Gegenwart etwas
von diesem "Frühlingslüftchen" gespürt. Es ging ihr schlecht, so
schlecht sogar, so dass wir mehrere Male meinten, ihre letzte Stunde sei
gekommen. Und ganz sicher hatte sie auch Angst oder zumindest Respekt vor dem
großen, unheimlichen Schritt, der da auf sie zukommen sollte. Doch immer wieder
gab es in ihrem Schwebezustand zwischen Leben und Tod auch kleine und größere
Lichtblicke, in denen sie uns mit ihrem köstlichen, trockenen Humor zum Lachen
brachte. Und selbst dann noch, als sie nicht mehr sprechen konnte, verzauberte
sie uns hier und da mit ihrem strahlenden Lächeln, welches das ganze traurige
"Drumherum" mit einem Mal vergessen ließ.
Am Dienstagabend aber war nun endgültig die Stunde des
Abschieds aus dieser Welt gekommen, und sie ist ganz friedlich und ohne jeden
Kampf eingeschlafen.
Dass es sich im Kloster sehr gut leben lässt, davon haben
wir in den letzten Jahren im Blog schon oft erzählt. Doch das es sich im
Kloster mindestens genauso gut "sterben lässt", kommt vielleicht viel
zu selten zur Sprache, ist für mich persönlich aber keine Spur weniger bedeutsam. Als wir vorgestern kurz nach Sr. M. Lidwinas Tod mit einigen Schwestern
um ihr Bett standen und beteten, da wurde mir nochmals so deutlich bewusst, wie
heilsam es ist, wenn die Wirklichkeit des Todes nicht einfach aus dem Leben
ausgeklammert wird, sondern wenn unser Leben im wahrsten Sinne
"todesmutig" wird.
"Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein
Stachel?", diese Worte des Apostels Paulus kamen mir in den Sinn, als ich
die tote Sr. M. Lidwina anschaute, die nichts als Zu-Frieden-heit ausstrahlte.
Ich bin überzeugt, dass alles selbstgemachte Unglück in unserem Leben letztlich damit beginnt, dass wir in irgendeiner Weise vor der Wirklichkeit des Todes fliehen
wollen. Unsere Lebensform und christliches Leben überhaupt lädt uns dagegen
ein, nicht davonzulaufen, sondern weiterzugehen. Ganz bewusst weiterzugehen auf
dieses große Ziel hin, im festen Glauben daran, dass der Tod eben nicht das Ende,
das Letzte ist, sondern Durchgang, Neugeburt ins wahre, unvergängliche Leben,
in die Vollendung unserer Person bei Gott.
"Es
knospet unter den Blättern. Das nennen sie Herbst." hat Hilde Domin einmal
gedichtet. Genau dieses Knospen unter den Blättern war bei unserer Sr. M. Lidwina
auf ihrer letzten Wegstrecke wahrnehmbar, und sie nahm uns alle ein Stück
weit mit in ihren ewigen Frühling. Auch wenn sie uns als Mensch und Mitschwester sehr fehlen wird, freuen wir uns mit ihr, dass sie nun ganz aufblühen darf in Gottes erbarmender Liebe.Sr. M. Ursula
Hallo Ich möchte Ihnen sagen das der Text wundervoll geschrieben ist.Man kann es sich förmlich vorstellen wie gesegnete die letzte Zeit mit Ihr gewesen sein muss.
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