Donnerstag, 19. Juli 2012

Luxusleben in Armut?


"Nun ja, Leben in Armut ist ja wohl was anderes…" - immer wieder bekommen wir Kommentare dieser Art von Gästen und Ordensinteressierten zu hören, die sich eine Zeit zu uns ins Kloster zurück ziehen. Und sie haben ja auch Recht, denn die Bilder, die einem kommen, wenn man an Armut denkt, sind eher inkompatibel mit warmem Bett und Nasszelle im Zimmer, großem Garten vor der Tür und einem reich gedeckten Tisch. Heißt das also, dass wir mit diesem Gelübde nicht so ernst machen, oder was? 
Ich gebe zu, dass mich Anfragen dieser Art traurig machen. Einfach, weil ich spüre, wie schade es ist, wenn gerade das Gelübde der Armut nur auf das oberflächlich Materielle reduziert wird. Natürlich beinhaltet unsere freiwillig gewählte Armut auch eine materielle Facette, und jede Schwester hat sich immer wieder neu zu fragen, inwieweit ihr persönlicher Lebensstil noch stimmig ist. Regeln, was eine Schwester besitzen "darf" und was nicht, gibt es bei uns im Kloster nämlich nicht. Während manche unserer Schwestern ihr ganzes Hab und Gut locker in zwei Köfferchen unterbringen können, zählen andere zu den Jägern und Sammlern und kriegen bei ihrer Versetzung mit ihren persönlichen Dingen einen ganzen Kombi voll. Das ist unsere Wirklichkeit, aber bei alledem wird mir immer wieder deutlich, dass die Menge unseres Besitzes überhaupt keine Aussage darüber erlaubt, ob ein Mensch wirklich arm lebt oder nicht. So erkannte schon der Heilige Franz von Sales:

„Es ist doch ein Unterschied, ob man das Gift besitzt oder vergiftet ist. Die Apotheker halten fast alle Gifte, um sie nach Bedarf zu verwenden; sie sind aber deswegen nicht vergiftet, denn sie haben das Gift nicht in ihrem Leib, sondern im Laden. So kannst auch du Reichtümer besitzen, ohne von ihnen vergiftet zu sein, dann nämlich, wenn du sie im Haus, auf der Bank, nicht aber in deinem Herzen hast.“

Ich finde, hier hat der große Menschenkenner die Sache mal wieder auf den Punkt gebracht. Ich kenne nicht wenige Menschen, die materiell zu den wirklich Reichen zählen, die aber im Herzen ganz einfach geblieben sind und vor allem nicht besessen vom Besitzen. Und umgekehrt gibt es auch solche, die zwar materiell ganz arm leben, aber innerlich komplett verstockt sind und vielleicht nicht an ihrem Besitz kleben, dafür aber beispielsweise an ihrem Gottes- und Menschenbild, welches sie um keinen Preis in Frage stellen lassen. Es hört sich verrückt an, aber selbst die Armut kann manchmal zum Besitz werden, wenn es mich beispielsweise unheimlich stolz macht, mit wie wenig ich doch auskomme…

Für mich persönlich bedeutet Leben in Armut, existentiell zu bejahen, dass wir alles, was in unserem Leben wirklich wichtig ist, nicht "machen" können - weder Liebe, noch gelingende Beziehungen, noch unsere Talente und Begabungen - über die wesentlichen Dinge unseres Lebens (angefangen von unserer Geburt) können wir nicht frei verfügen. Das alles "müssen" wir uns schenken lassen, und daher hat Armut für mich auch eine ganze Menge damit zu tun, das was ist - auch und besonders meine ureigene Lebens-Wirklichkeit - anzunehmen. Achtsam zu werden für das, was mir das Leben bereithält, aber auch hier und da auch mal einen gefühlten oder tatsächlichen Mangel auszuhalten, ohne die Leere gleich zustopfen zu wollen… Und mit dem Gegebenen umzugehen, auch wenn es manchmal nur ganz wenig zu sein scheint. Ich sehe in der Armut keinen asketischen Hochleistungssport mit dem Ziel, zur völligen Bedürfnislosigkeit zu gelangen, sondern vielmehr die Anregung, meine Bedürftigkeit wahrzunehmen und meine Bedürfnisse auf eine gesunde, verantwortliche Art und Weise zu gestalten. Nichts in meinem Leben ist selbstverständlich, weder, dass ich überhaupt bin, noch dass ich gesund bin, geschweige denn, dass ich ein Dach über dem Kopf habe. Im Wissen um meine eigenen Sehnsüchte werde ich wie von selbst sensibel für all die Menschen um mich herum und in der weiten Welt, die den gleichen Hunger nach Leben in sich tragen und denen nicht selten das Notwendigste zum Leben fehlt.

Sr. M. Ursula

5 Kommentare:

  1. Ich habe ihren Text sehr aufmerksam gelesen und mir hat die Anmerkung gefallen, dass auch Armut ein Besitz sein kann, wenn man stolz darauf ist, mit wie wenig man auskommt. Da stimme ich voll zu. Mit der Armut ist es halt so eine Sache.... es ist irgendwie eine Gradwanderung. Sie muss mit einem liebenden und offenen Herzen gelebt werden.
    Wenn manche Menschen den Besitz und die Lebensumstände der Schwestern kritisieren, dann höre ich einen gewissen Neid heraus. Vielleicht sind die Kritiker selbst vom Leben enttäuscht. Die "ritiker", die nach Arenberg fahren, sollten für sich mal bedenken, dass sie auch nicht zu den armen Christen gehören. Wenn sie für andere materielle Armut fordern, könnten sie es doch auch selbst leben. Z.B. eine Nacht weniger in Arenberg bleiben und dafür das gesparte Geld für bedürftige Menschen spenden, damit auch andere einmal nach Arenberg kommen können.

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  2. Dazu muss ich auch etwas schreiben. Für mich bedeutet Armut nicht die materielle Armut,es ist etwas anderes gemeint. Für mich ist jemand "arm", der von sich selbst absieht, sich nicht ständig in den Mittelpunkt drängt, der nicht ständig um sich selbst kreist, sondern stattdessen andere in den Blick nimmt. Arm ist jemand, der es schafft, sich selbst loszulassen, der die Verbindung mit anderen sucht. Arm bedeutet für mich Selbstrücknahme und die Suche nach Gott.

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  3. Kein Armer, einer, der unter dem Existenzminimum lebt (und davon gibt es tatsächlich nicht wenige) wird sich jemals einen Aufenthalt in Arenberg oder sonstwo gönnen können, wenn es auch noch so preiswert sein soll.
    Sie gehen schon zur Tafel und Kleiderkammer. Arm leben im Sinne von nicht an materiellen Gütern hängen ist etwas ganz anders. Das kann wirklich beglückend sein.
    Liebe Grüße an all die reichen Armen.

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  4. Aussage A ist schlichtweg nicht wahr (http://www.kloster-arenberg.de/hilfe.html) - Aussage B dagegen kann ich voll und ganz unterschreiben ;-)

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  5. das ist der Irrtum: aussage A stimmt leider doch. Für den, der nichts hat geht es einfach nicht. Anfahrt, Kleidung etc.? Z B: Was ist, wenn ich genug habe und mir vieles leisten kann, verzichten soll (muss), Sicherheit genommen wird, kann ich dann loslassen? Mutter Teresa sagt: Teilen fängt erst dann an, wenn ich von dem gebe, was ich selber brauche. Seitdem frage ich mich immer wieder: Wann fängt mein teilen an. Wieviel muss ich lassen, bis es wirklich soweit ist.Bis jetzt ist es mir noch nicht gelungen, ich habe dann eben etwas nicht, ist nicht immer schön, aber richtig schlimm ist es nicht. PS Ich habe selbst nicht viel, es reicht für ein bescheidenes
    Leben. Bin zufrieden.

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