
Vielleicht mag der Gedanke, eine Schriftrolle zu essen, auf den ersten Blick ziemlich befremdlich erscheinen, und doch durften wir in der vergangenen Woche feststellen, dass es zwischen unserer täglichen Nahrungsaufnahme und geistlichen Esskultur erstaunliche Parallelen gibt. Zunächst einmal: Wir, das sind knapp 90 Dominikanerinnen aus 18 verschiedenen Kongregationen, die sich vom 09. - 13. August zu einer Tagung in Ilanz trafen. Vier Tage lang drehte sich alles rund um das Thema "Studium im Dominikanerorden". Neben höchst interessanten Vorträgen und Impulsen verschiedener Referenten und Referentinnen gab es auch genügend Möglichkeit zum Austausch in kleinen Gruppen und viele praktische Anregungen, wie wir uns in unseren Gemeinschaften gegenseitig "Lust auf's Studieren" machen können. Und wir hatten eben auch Zeit, uns einmal Gedanken darüber zu machen, wie es um unser persönliches Studieren, unsere persönliche Suche nach der Wahrheit bestellt ist. "Welche Assoziationen kommen mir, wenn ich an mein persönliches biblisches Studieren und Meditieren denke", so lautete die einleitende Frage von Sr. Benedikta Hintersberger OP am ersten Abend: Denke ich da an süßen Honig, eine Essiggurke, frisches gutes Obst oder hartes Schwarzbrot? Wie nehme ich meine geistliche Kost zu mir - verschlinge ich sie, oder esse ich langsam, um die "Nährstoffe" auch wirklich aufnehmen zu können? Was nehme ich zu mir - bin ich eine Feinschmeckerin, die nur das isst, was zur Lebenslust beiträgt und Spaß macht? Bevorzuge ich aus Angst vor Allergien eine bestimmte Diät, die mir gut tut, leicht bekömmlich ist und mir möglichst wenig schadet? Oder neige ich zur Völlerei, stopfe alles in mich hinein, was ich kriegen kann, was mir zusteht? Und was gehört für mich unbedingt zu einer guten dominikanischen "Esskultur" dazu?
Von Anfang an kam dem Studium im Dominikanerorden eine ganz und gar außergewöhnliche Rolle zu. Die leidenschaftliche Suche nach der Wahrheit, die Sehnsucht, den Dingen auf den Grund zu gehen, statt im Oberflächlichen hängen zu bleiben, das Beschreiten völlig neuer Wege, auch in der Gefahr, sich in etwas zu "verrennen" brachte im Laufe der Geschichte unseres Ordens immer wieder herausragende Theologen und Menschenkenner hervor. Doch beim dominikanischen Studium ging es niemals nur um eine bloße Aneignung von Wissen, sondern um betendes Studieren - Studieren und Meditieren vor dem Angesicht Gottes. Und so ist es für mich ziemlich bezeichnend, dass solch großartige Gelehrte wir Thomas von Aquin oder Meister Eckart gleichzeitig auch Mystiker waren, die durch ihr Studium in die Tiefe der Weisheit und der Erkenntnis Gottes geführt wurden.
Dominikus und seinen ersten Brüdern war bewusst, dass sie nur dann glaubwürdige Verkünder des Evangeliums sein konnten, wenn sie nicht nur ganz und gar vom Wort Gottes durchdrungen waren, sondern auch argumentativ den Anfechtungen der Häretiker standhalten konnten. Das gilt selbstverständlich auch und gerade in der heutigen Zeit, wo der Glaube an unseren menschgewordenen Gott leider so oft als un-vernünftig angesehen, auf fromme Innerlichkeit reduziert wird.
Mir jedenfalls wurde in der vergangenen Woche noch einmal neu deutlich, dass lebenslanges Studieren nicht nur existentiell wichtig für unsere Sendung als Dominikanerinnen ist, sondern dass gerade die abwechslungsreiche geistliche Ernährung nebenbei auch richtig Freude macht - zumal es ja auch absolut legitim ist, neben verschiedenen schwer verdaulichen Speisen gelegentlich auch mal mit allen Sinnen einen leckeren Schokoladenpudding zu verkosten ;-))
Sr. M. Ursula
Der Blog ist so vollwertig und nahrhaft, dass ich ihn leider überwiegend verschlingen muss - gierig, wie ich auf den Weiden von Kloster Arenberg geworden bin!
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